
Der glühende Wagen
Als die Leute von der Martinikirmes kamen, hatten sie, während sie erzählten und lachten, den rechten Weg verfehlt.
Zurückgehen wollten sie nicht und einen weiten Umweg machen auch nicht. Als dann einer meinte, sie könnten doch geradewegs
mitten über das Feld gehen, taten sie es. Wie aber waren sie erschrocken, als ihnen plötzlich ein glühender Wagen entgegengefahren
kam, auf dem ein Mann saß, der ihnen unter Klagen gestand, er habe in seinem Erdenleben viel Unrecht getan.
Er habe Grenzsteine versetzt und finde nun im Grabe keine Ruhe. Alle Jahre müsse er an dem Tag, da er einen Stein versetzt habe,
einen glühenden Wagen mit Steinen beladen. Nun sei er nahe daran, endlich von seinem Höllenleid erlöst zu werden, und er wolle
den Leuten sagen, wie sie ihm dabei helfen könnten. Über die aber war eine solche Angst gekommen, dass sie, so schnell sie konnten,
davonliefen. So traurig ihnen der von dem glühenden Wagen auch nachrief, keiner kehrte um; niemand war bereit, den Verdammten anzuhören.
Darauf hörten sie einen furchtbaren Schrei, wie sie ihn ihr Leben nicht vergessen haben. Sie sahen, wie der Wagen mit einem großen
Feuerschein in die Luft fuhr und verschwand.
Jan Frithoff
Eine Zeit lang war es in der Gegend von Krußstammhecken, einer alten Grenzbezeichnung in Bruckhausen bei Dinslaken, nicht geheuer.
Wenn man zur Mitternachtsstunde an dieser Stelle vorüberging, hörte man ein deutliches Stöhnen und Ächzen. Niemand konnte begreifen,
was das zu bedeuten hatte, und ängstlich wurde die Stelle von jedermann gemieden. Es war aber niemand anders als der böse, alte
Frithoff, der seinem Nachbarn alljährlich von seinem Acker ein paar Furchen abgepflügt hatte. Als er plötzlich starb - er fiel "inne Höll" -
konnte er im Grabe keine Ruhe finden. Jede Nacht musste er den Weg vom Hünxer Kirchhof durch die "Stollbeck" zum Bruckhauser Feld machen.
Hier plagte er sich mit einem schweren, eisernen Pflug, den er immer hin und her über den Acker schleifen musste. Punkt ein Uhr war
er plötzlich verschwunden. Das wiederholte sich jede Nacht, bis er endlich erlöst wurde. Eines Nachts erschien eine weißgekleidete
Jungfrau, die mit silbernem Pflug die gestohlenen Furchen wieder zurückpflügte. Seitdem fand er Ruhe, und der Spuk war verschwunden.
Der Kürbaum im Hünxer Wald
Im Hünxer Wald, nicht weit von der Straße nach Kirchhellen zu, steht eine mächtige alte Eiche, die oben hoch mit einer Buche
zusammengewachsen ist und von der man sich eine Geschichte erzählt, die in ganz ferne Zeiten zurückschweift.
Vielleicht haben unsere Vorfahren dort in Zeiten des Krieges ihren Herzog gewählt, ihren Führer gekürt, und so war die Stelle
des Kürbaums seit vielen hundert und mehr als tausend Jahren ein heiliger Ort. Einmal kam ein Mönch in dieses Land, der die
Germanen zu seinem Glauben bekehren wollte. Da sah er mit Schrecken, dass sie glaubten, dass Donar dort oben an jenem Baume
unsichtbar und verborgen zugegen wäre. Da richtete der Mönch seinen Blick gen Himmel und bat Gott um ein Wunder. Er möge den
Heidenbaum zerschmettern, damit die Menschen sähen, dass nur er, der Gott der Christen, der wahre und alleinige Gott des
Himmels und der Erde wäre. Und wirklich fuhr ein Blitz herab, und der Baum zerbrach. Aber das Wurzelwerk des heiligen Baumes
blieb unversehrt. Aus den Wurzeln kamen neue Reiser hervor, es wuchs ein neuer Stamm, und zugleich wuchs eine starke Buche
aus der Erde auf - und es wird in aller Zeit so bleiben; mögen tausend Blitze hernieder zucken und mögen tausend Bäume zertrümmert
werden, so bleibt doch die heilige und ewige Kraft der Erde und wird sich in immer neuen Bäumen, die gen Himmel streben, ewiglich beweisen.
Anmerkung:
Der Kürbaum befindet sich in der Nähe der Quelle des Gartroper Mühlenbachs an der Straße Hoher Wardweg am Wanderweg A2.
Der Weg zum Kürbaum ist ausgewiesen.
Der Mariä-Bach zu Sterkrade
Im Sterkrader Kloster wurde einst ein Marienbild verehrt, welches eine Nachahmung des "Passauer Gnadenbildes der Muttergottes"
von Lucas Cranach ist. Im Zimmer eines Klosterbediensteten hängend, geschah eines Nachts etwas Ungewöhnliches:
Das Bild fiel mit großem Lärm von der Wand und blieb ohne eine Stütze aufrecht stehen. Am folgenden Abend geschah unter Bewachung
das Gleiche. Fortan kam das Bild in die Kirche und sorgte für die ersten Wunderheilungen. Das Nonnenkloster existiert heute nicht mehr,
das Bild ist aber immer noch in Oberhausen Sterkrade in der St. Clemenskirche zu finden, wo es weiterhin große Verehrung genießt.
Der ewige Student
Wo, wenn nicht in den Gebäuden der Geisteswissenschaften der Uni Bochum könnte sich ein Geist herumtreiben? Sein Name: Hajo.
Seine Charakteristika: lange Haare, ungepflegte Kleidung, eine Nickelbrille sowie ein muffiger Geruch. Seine Legende:
Seit Mitte der Sechziger studiert Hajo an der Hochschule und ewig schreibt er an seiner Doktorarbeit, vom Ehrgeiz zerfressen,
eine perfekte Dissertation abzuliefern. Ständig neue Publikationen halten ihn aber von diesem Vorhaben ab. Wo und wann man Hajo
begegnen kann: In den frühen Morgenstunden, kurz bevor die Studentenflut einsetzt, schleicht er durch die Flure und Treppenhäuser des Gebäudes.
(Diese Sagengeschichten, die ich irgendwo gefunden habe stammen wahrscheinlich aus der Sammlung des Autors Dirk Sondermann)
Zwischen den Jahren
Es ist ein Brauch, der sich seit Menschengedenken in den Köpfen hält: Zwischen den Jahren wird nicht gewaschen.
Viele halten sich noch daran und befürchten Schlimmstes, wenn in dieser Zeit gewaschen wird.
Und richtig: Wotan soll es sein, der diesem Mythos bis heute Nahrung gibt. Wotan, der nordische Gott, der mit seinem achtbeinigen Hengst Sleipnir
in der Zeit zwischen Weihnachten und dem sechsten Januar unterwegs ist.
Das sind die Raunächte, in denen die Gesetze der Natur früher als aufgehoben galten. Und wehe, wenn sich Wotan draußen in den Wäscheleinen verheddert:
Dann droht Verderben.
Die Wäsche allerdings einfach im Haus aufzuhängen ist einer weiteren Überlieferung nach ebenfalls gefährlich: Sie könnte von den stöhnenden,
heulenden und johlenden Reitern der Wilden Jagd, die zur Zeit der Raunächte durch die Lüfte zieht, gestohlen werden und im Laufe des
Jahres seinem Besitzer nur noch als Leichentuch dienen.
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